Viktor Tilgner

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Viktor Tilgner, Lithographie von Adolf Dauthage 1881

Viktor Oskar Tilgner (* 25. Oktober 1844 in Pressburg; † 16. April 1896 in Wien) war ein österreichischer Bildhauer und Porträtist. Er ist der Hauptvertreter des Neobarock innerhalb der Plastik der Wiener Ringstraße.

Viktor Tilgner wurde als Sohn des Hauptmannes Carl und Ida Tilgner in Pressburg geboren, übersiedelte aber schon als Kind nach Wien und war seither mit dieser Stadt verbunden. Sehr früh wurde sein Interesse und Talent vom Bildhauer Franz Schönthaler erkannt, der auch sein erster Lehrmeister wurde.

Auf der Akademie der bildenden Künste Wien begann er zunächst bei Franz Bauer zu studieren, wechselte aber schon bald zum Tiroler Bildhauer Josef Gasser, der durch seine Nähe zu Heiligenplastiken in Tilgner das „barocke“ Interesse weckte und ihn in das praktische Schaffen einführte. Parallel führte ihn der Medailleur Joseph Daniel Böhm in die Kunst des Ziselierens ein.

Viktor Tilgners realistischer Akademismus war von Hans Makart, einem führenden Maler der Ringstraßenepoche, beeinflusst, mit dem er auch 1874 Italien bereiste. Daneben hatte der Bildhauer auch Kontakt mit Johann Strauss und gehörte zum Künstlerkreis rund um Karl Graf Lanckoronski. Stark beeinflusst wurde er auch vom französischen Bildhauer Jean-Baptiste Gustave Deloye, der 1873 im Rahmen der Weltausstellung nach Wien gekommen war.[1]

Grab von Viktor Tilgner auf dem Wiener Zentralfriedhof

Viktor Tilgner hatte mehr als die letzten 20 Lebensjahre sein Atelier in einem ehemals als Gewächshaus genutzten Seitentrakt des Palais Schwarzenberg, Heugasse 1 (heute: Prinz-Eugen-Straße 1), Wien-Landstraße;[2] die Wohnung des Künstlers befand sich nächstgelegen auf Wohllebengasse 1, Wien-Wieden[3].

Tilgner, der trotz eines sich seit geraumer Zeit bemerkbar machenden Herzleidens noch am Tag vor seinem Tode in der Bauhütte am Mozart-Denkmal geweilt hatte,[2] erlag am Vormittag des 16. April 1896 in seiner Wohnung einem Herzinfarkt.[4] Einen Tag nach dem Ableben wurde von ärztlicher Seite dem vom Verstorbenen zu seinen Lebzeiten für den Falle eines plötzlichen Todes geäußerten Wunsch nach einem Herzstich entsprochen.[5] Am 18. April 1896, nach erster Einsegnung in der (überfüllten) Karlskirche, machte der Kondukt Zwischenstation am Wiener Künstlerhaus, wo dessen Vorstand Julius Deininger (1852–1924) sowie Rudolf Weyr (1847–1914), Club der Plastiker, Abschiedsworte sprachen, danach wurde Viktor Tilgner im Beisein der Witwe, Marianne, sowie des Bruders, Oskar, in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.[6] Am 3. Oktober 1897 wurde Tilgner auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab in stiller Weise wiederbestattet (Gruppe 14 A, Nummer 28)[7]. Das bei diesem Anlass gesetzte Grabdenkmal war von der Witwe bei den Mitarbeitern von Tilgners Atelier als deren letzte Arbeit in Auftrag gegeben worden und hatte eine vom Verstorbenen einst angefertigte Skizze zur Grundlage.[8]

Bischof Heiller
Grabdenkmal Holly
Viktor Silberer
Ganymed Brunnen in Bratislava
Franziskus von Paula Schönborn
Gladiator und besiegter Sklave
Porträtbüste des Architekten Carl Gangolf Kaiser
Viktor Tilgners Bruckner-Denkmal im Wiener Stadtpark, Zustand 1908

Das Denkmal für Wolfgang Amadeus Mozart im Wiener Burggarten gilt als Hauptwerk Tilgners und war gleichzeitig dessen letztes. Sie war ursprünglich für den Platz vor der Albertina geschaffen. Die bewegten Puttenfiguren am Sockel, die die Macht der Mozartschen Musik darstellen, deuten stilistisch schon auf den Jugendstil hin. Es wurde einige Tage nach Tilgners Tod enthüllt.

Sein weiteres Werk umfasste Bauplastiken für die Hofmuseen, das Burgtheater, die Neue Hofburg und die Hermesvilla sowie mehrere Brunnenanlagen (Tilgner-Brunnen im Volksgarten, 1877), Denkmäler (Werndl-Denkmal in Steyr, 1894) und einige Grabmonumente. Bekannt war er auch für seine Porträtbüsten (u. a. Pedro Calderón de la Barca, Shakespeare, Molière, Gotthold Ephraim Lessing, Goethe, Friedrich Schiller, Friedrich Hebbel, Franz Grillparzer und Friedrich Halm für das Burgtheater) und viele Medaillons.

Der Großteil des Nachlasses von Tilgner ging an seine Heimatstadt und ist heute in der Städtischen Galerie Bratislava zu sehen. Seine Werke schmücken alle wichtigen Gebäude der Wiener Ringstraße und anderer Plätze.

Skulpturengruppe für The Equitable

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 1859 gegründete amerikanische Versicherungsgesellschaft The Equitable Life Insurancy Company (heute AXA-Equitable) expandierte in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts nach Europa und Australien. Es wurden fünf moderne und prächtige Gebäude in den Zentren folgender Metropolen errichtet (1891 in Wien, Madrid und Berlin, 1895 in Sydney und 1896 in Melbourne), für deren Dekoration der Hauptportale eine repräsentative Skulptur gesucht wurde. Die Wahl fiel auf den damals in Wien sehr bekannten Bildhauer Victor Tilgner (vermutlich auch deswegen, weil das Design vom österreichischen Architekten Edward E. Raht stammt), der für seine Skulptur eine Gruppe von drei Personen wählte. In der Mitte die sogenannte Equitable, die einer römischen Hebamme gleicht und die ihre Arme schützend über ein Kind auf der linken Seite und eine Frau mit Neugeborenem auf der rechten Seite hält. Die Namen des Werkes sind auf Deutsch „Equitable, Schützerin der Armen und Verwaisten“, auf Englisch „Charity being kind to the poor“ und auf Spanisch „La caridad se compadece de los pobres.“

Die Skulpturen wurden 5-mal in der Arthur Krupp Berndorfer Metallwarenfabrik (Neffe des Alfred Krupp) im Bronzeguss herstellt. Aktuell existieren noch vier Gruppen: in Wien und in Sydney an ihren Originalstandplätzen (Palais Equitable am Stock-im-Eisen-Platz) und in Sydney (City Recital Hall auf der George Str.). Die Statuen in Melbourne (Ursprünglich Equitable Building Ecke Collins und Elizabeth Stasse, dann 1959 an die School of Architecture at the Mount Martha gestiftet und seit 1981 im South Lawn Carpark aufgestellt) und in Madrid (Ursprünglich Palacio de la Equitativa Ecke Sevilla und Alcala Straße, seit 1921 auf Campillo del Mundo Nuevo Platz) wechselten mehrfach ihren Ort. Von der Statue, die für Berlin vorgesehen war, ist keine Information zu finden. Es ist auch nicht bekannt, ob sie jemals ihren Bestimmungsplatz gelangte. (Equitable-Palast Ecke Friedrich und Leipziger Straße. Im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört)[10]

Statue in Madrid mit falscher Inschrift

Eine Anekdote zu der Statue in Madrid: Nachdem sich die amerikanische Versicherung 1916 aus Spanien zurückgezogen hatte, fiel das Gebäude in die Hände der spanischen Bank Banesto, die die Skulptur Ende 1920 der Gemeinde Madrid stiftete. Zu diesem Zeitpunkt muss wohl der Ursprung dieser Gruppe in Vergessenheit geraten sein und auf der Suche nach dem Urheber wurde die Signatur der Giesserei Arthur Krupp Berndorfer Metallwarenfabrik auf der Statue entdeckt und fälschlicherweise angenommen, A. Krupp sei der Künstler. Ein nachfolgender Übertragungsfehler (ru = ni) beim Nachnamen führte dazu, dass heute auf der Hinweistafel am Sockel der nicht existierende deutsche Bildhauer A. Knipp als Erschaffer des Werkes erwähnt wird.[11]

  • 1868: Hofpreis und Stipendium
  • 1868: Füger-Medaille
  • 1874: Karl Ludwig Medaille
  • 1874: Goldmedaille in München (für Büste Joseph von Führich)
  • 1880: Reichel-Preis (für die Brunnengruppe Triton und Nymphe)
  • 1882: Große Goldmedaille Wien (für die Brunnengruppe Amorino auf Delphin)
  • 1883: Professortitel
  • 1888: Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste Wien
  • 1891: Große Goldmedaille und Ehrendiplom von München (für den Puttenbrunnen)
  • 1897: Tilgnerstraße in Wien-Wieden, 4. Bezirk.
  • 1928: Tilgnergasse in Wien-Liesing, 23. Bezirk.
  • 1970: Tilgnerova (ulica) in Karlova Ves, Plattenbauquartier im Westen von Bratislava.
Commons: Viktor Tilgner – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Ludwig Hevesi: Victor Tilgners ausgewählte Werke. Wien 1897.
  2. a b † Victor Tilgner (1844–1896). In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 11368/1896, 17. April 1896, S. 5 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  3. Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Band 1896,2. Hölder, Wien 1896, S. 1119. – Online.
  4. † Bildhauer Victor Tilgner. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 11367/1896, 16. April 1896, S. 2 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  5. Kleine Chronik. (…) Victor Tilgner. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 11369/1896, 18. April 1896, S. 1, Mitte unten. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  6. Tilgner’s Leichenbegängniß. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 11370/1896, 19. April 1896, S. 7, Mitte unten. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  7. Hedwig Abraham: Prof. Victor Tilgner. In: viennatouristguide.at, abgerufen am 16. Juli 2012.
  8. Localbericht. (…) Das Ehrengrab für Victor Tilgner. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 11893/1897, 1. Oktober 1897, S. 6, Mitte rechts. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  9. Otto Biba: „--in meinen Tönen spreche ich“: für Johannes Brahms, 1833–1897. [Katalog … anlässlich der Ausstellung … im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, 5. September-2. November 1997], S. 60.
  10. madridafondo.blogspot.com.es
  11. alexmadrid.es